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Die buddhistischen Höhlen von Ajanta |
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Nordöstlich
von Mumbai (Bombay) und nur ungefähr hundert Kilometer von Aurangabad
entfernt, liegen die Höhlen von Ajanta, versteckt in einem Steilhang ,
der sich wie ein Amphitheater über der Flußbiegung des Waghora
erhebt. Während der Monsunzeit ist es besonders schön hier, wenn
sich das üppige Grün der Natur wie ein Schleier über die
Zauberwelt dieser riesigen Tempel- und Klosteranlage breitet und man - wohl
wegen der schlechten Witterung - kaum einen Besucher antrifft.
Die Besiedlung von Ajanta geht bis ins 2. Jahrhundert v. Chr. zurück ,
als sich buddhistische Mönche in der Einsamkeit der Berglandschaft
niederließen und mit dem Bau der ersten Höhlen begannen , die sie
unter unendlichen Strapazen in den Fels trieben.
Im 5. und 6. Jahrhundert entwickelte sich eine lebhafte Bautätigkeit,
die sicher bis zum Ende des 7. Jahrhunderts anhielt. Die erste Bauperiode,
die sich deutlich stilmäßig abhebt, fiel in die Zeit des
Hinayana, der ältesten Form des Buddhismus. Später dann im 5. und
6. Jahrhundert erreichte die Ausstattung der Höhlen ihre künstlerische
Vollendung in der Zeit des Mahayana- Buddhismus, der am weitesten
entwickelten und komplexesten Form der Lehre des Erhabenen.
Ajanta war als blühendes religiöses und künstlerisches
Zentrum weit über die Grenzen des Reiches hinaus bekannt. Stiftungen
der Reichen hatten dazu beigetragen, Ajanta mit einer Fülle von
Skulpturen und prachtvollen Malereien zu schmücken, die unzählige
Pilger anlockten.
Als ab der Mitte des 8. Jahrhunderts der Buddhismus vom wiedererwachten
Hinduismus aus Indien verdrängt wurde, gerieten die Klosteranlagen in
Vergessenheit. Aus unbekannten Gründen hatten die Mönche Ajanta
verlassen, und allmählich begann das wuchernde Grün des Urwaldes
die Herrlichkeiten aus Stein und Farben zuzudecken.
Die Bilder dieses himmlischen Theaters fielen in einen fast tausendjährigen
Schlaf , bis sie 1819 von tigerjagenden Engländern entdeckt wurden. Die
Soldaten suchten in den dichten Wäldern nach Schlupfwinkeln der
Raubtiere - und fanden eine Zauberwelt der buddhistischen Kunst.
Wie überwältigend muß der Anblick einer solchen Überfülle
von Skulpturen , verzierten Saülen und Malereien für die fremden
Entdecker gewesen sein !
Die Wände einzelner Höhlen waren mit Bildergeschichten aus dem
Leben Buddhas geschmückt; Szenen der märchenhaften indischen Fürstenhöfe
fügten sich dazwischen und verwirrten in ihrer verführerischen
Virtuosität die Sinne, während aus der dunklen Stille der zurückliegenden
Nischen das Antlitz des Erleuchteten einen heiteren Frieden verbreitete.
Viele der Kunstwerke sind heute zerstört; aber noch immer üben
die gewölbten Tempelhallen und die Fresken, deren Schönheit die Höhlen
berühmt gemacht haben , einen geheimen Zauber auf den Betrachter aus.
Besonders reich ausgeschmückt sind die Höhlen 1 und 2. In warme
Gold- und Erdtöne gehüllt, präsentieren sich die Jatakas,
Geschichten der früheren Geburten Buddhas. Sie erzählen von seinem
Leben als Bodhisattva, der in unendlicher Güte den Menschen den Weg in
das Nirwana, die letzte Glückseligkeit, weist.
Die Künstler von Ajanta arbeiteten zwar nach den Anweisungen der Mönche
und folgten in ihren Ausführungen der streng vorgeschriebenen
Ikonographie, aber in der religiösen Form spürt man deutlich die
Intensität ihres heiteren Lebensgefühls, ihre Liebe zur Welt , die
sich an Göttern und Heiligen ausrichtet. So mischen sich in ihren
Malereien galante Szenen des höfischen Lebens mit sublimen Formen
geistlichen Seins zu einem atemberaubenden Ensemble betörender
Sinnlichkeit. Der Genius der Maler wird besonders deutlich in der
ausgefeilten Darstellung der weiblichen Schönheit. Königinnen,
Dienerinnen, Musikantinnen und Tänzerinnen zeigen sich unterschiedslos
in verführerischer Anmut und Eleganz. Diademe in den gelockten Haaren
und funkelnder Schmuck, auf nackter Haut getragen, schmeicheln den Frauen
von Ajanta, die sich spielerisch durch die Bilderwelt bewegen.
Die Höhlen von Ajanta waren für den Inder der damaligen Zeit ein
Lehrbuch des buddhistischen Glaubens. Der Kundige wußte sehr wohl
darin zu lesen, denn die Künstler hatten mit meisterhafter Perfektion
die literarischen Themen der Goldenen Buddhistischen Legende" in
eine allgemeingültige Bildersprache umgesetzt.
Nach nunmehr weit über tausend Jahren haben die Kunstwerke nichts von
ihrer Aussagekraft verloren. Wenn auch so manchem Besucher von Ajanta der
religiöse Bezug fehlen mag , kann er sich doch dem geheimnisvollen
Zauber der künstlerischen Kompositionen nicht entziehen.
Heute wie ehemals versetzen sie den staunenden Betrachter in eine andere
Welt, in der Heiterkeit, Anmut und Eleganz der höfischen Szenen
aufgefangen werden, von dem stillen Frieden der vielen Buddhas, die in der
meditativen Ruhe der Erleuchteten allem einen Hauch von Ewigkeit verleihen.
Entdecken sie die
Buddhistischen Höhlen !